Im Oktober 24 habe ich eine Reise nach China unternommen. China zu bereisen ist seit meinem Studium in Shanghai und meiner Arbeit in Shanghai und Hangzhou zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden. Ich habe viele Freunde dort gewonnen und bin, wenn ich es konnte, fast jedes Jahr einmal dort gewesen. Dieses Jahr war aber etwas besonderes, da ich nicht nur privat, sondern auch als Präsident des DGoB in China war. Einer meiner Freunde hatte vorausgesagt, dass man in China keinen Unterschied zwischen dem DFB Präsident und dem DGoB Präsident macht. Mit diesem Wissen habe ich mich gut mit Visitenkarten eingedeckt und mich ins Abenteuer gestürzt.
Hangzhou empfing mich mit wunderbar warmen Herbstwetter und einer spektakulären Abendkulisse. Wie im Foto oben zu sehen, sind die LEDs aller Wolkenkratzer synchronisiert und den ganzen Abend fliegen Drachen, Löwen und chinesische Schriftzeichen in wilden Farben über die Wasserfront von einem Wolkenkratzer zum Anderen. Wer genau hinsieht, erkennt auch die frei schwebenden Lichter, die gerade beginnen sich zu Herzen und dem Schriftzeichen für “China” zu formen. Das ist der Tanz der Drohnen, der hier jeden Abend aufgeführt wird. Ein magischer Empfang.
Etwa zwei Stunden mit dem Schnellzug von Hangzhou entfernt liegt Quzhou. Hier legt man großen Wert auf die konfuzianische Tradition, die vor über 1000 Jahren ein Sohn der Konfuzius Familie nach Quzhou brachte und hier den heute so bekannten südlichen Zweig der Konfuzius Familie begründete. Quzhou hat bereits aus dieser Zeit eine enge Verbindung zum Go und man kann sich gut vorstellen wie die zwei alten Männer aus der Sage für Jahrhunderte die Zeit vergessen, während sie unter der berühmten Steinbrücke auf dem Lanke Berg ihre Partie Go spielen.
Heute ist Quzhou ein Zentrum des Go in China mit seinem “Quzhou-Lanke Cup World Go Open” und vielen anderen Turnieren und Aktivitäten. So ist es nicht verwunderlich, dass der Präsident des chinesischen Go Verbands Chang Hao (9d) zu Besuch in Quzhou war und ich die Chance hatte ihn zu treffen. Chang Hao hat sich eine halbe Stunde Zeit genommen, um mit mir über Go und die Chancen unserer internationalen Kooperation zu sprechen, während wir öffentlichkeitswirksam von allen Seiten fotografiert wurden. Als ich meine Hoffnung ausdrückte, dass wir in Deutschland mit Hilfe der AI vielleicht in Zukunft auch ein Go Genie hervorbringen und ausbilden können, das auf dem höchsten Niveau spielen kann, hat Chang Hao daran erinnert, dass auch Go Seigen im damals “rückständigen” China seine Grundlagen erlernte und erst mit 14 Jahren nach Japan kam, um dort auf dem höchsten Niveau seinen Durchbruch zu feiern.
In dieser Unterhaltung und vielen anderen kann man spüren, wie wichtig es meinen Gastgebern ist, die Jahrtausende alte chinesische Kultur mit Stolz zu präsentieren. Nicht umsonst gibt es in China immer mehr Museen, die diese Kultur bewahren. Ich hörte, dass in Shanghai bald ein neues Museum eröffnen soll. Ich besuchte die Museen in Hangzhou, Quzhou und Luoyang und begeisterte mich für die wundervollen Artefakte aus über zweitausend Jahren nachgewiesener Geschichte, wie zum Beispiel die im Foto dargestellten Steine aus der Song-Dynastie.
Der Höhepunkt meiner Reise sollte das Turnier in Luoyang werden, dessen Ausschreibung ich ja hier veröffentlicht hatte. Leider fanden sich keine Mitstreiter für eine deutsche Delegation. Jedem, der die Chance gehabt hätte, kann ich nur sagen ihr habt etwas verpasst. Wir wurden mit Limousinen-Service vom Bahnhof abgeholt und gleich zum Bankett geladen. Es gab viele lokale und klassische chinesische Gerichte an großen Runden Tischen und nachdem der erste Hunger gestillt ist, wurde in chinesischer Manier erst der eigene Tisch umrundet, um mit jedem anzustossen und danach jeder andere Tisch ebenso. Je nach Präferenz und Konstitution ist dabei auch das Anstossen mit Wasser völlig akzeptabel oder in meinem Fall mit gutem chinesischen Bier.
Das Turnier selber startete am nächsten Tag mit den ersten 3 Runden und der großen Eröffnungsfeier des 33. Hakka Festivals, dessen Rahmenprogramm wir nur waren. Am folgenden Tag gab es erst einen Ausflug zu den berühmten Longmen Grotten und danach noch einmal 3 Runden bis in den Abend. Es wurde mit 45 Minuten Grundzeit und 3 * 30 Sekunden Byoyomi gespielt. Am finalen Tag musste dann noch die finale Runde absolviert werden und ich war mit meinem Ergebnis 5:2 hoch zufrieden. Obschon die hohe Zahl der Spiele und die geringe Bedenkzeit eine Belastung waren, blieb doch genug Zeit sich wieder mit alten Freunden auszutauschen und neue Freunde zu gewinnen. Das Wiedersehen mit Wang Runan (9d), der bis 2017 Präsident des chinesischen Go Verbands war, hat mich besonders gefreut. Seit er uns vor vielen Jahren in Berlin besucht hatte, habe ich immer Kontakt gehalten.
Nach der Preisverleihung hat sich dann alles schnell aufgelöst, denn die Distanzen im riesigen China sind gewaltig und die Reisezeit dementsprechend lang. Ich selber wurde von einem Freund mit dem Auto wieder in Richtung Hangzhou mitgenommen und wir teilten die lange Strecke in zwei Tage auf, so dass ich auch noch in dem kleinen Ort Zhumadian in der Henan Provinz eine Übernachtung hatte. Da wir Go-Spieler überall im Land Freunde haben, machten wir noch einen Stop in einer kleinen Go-Schule und ich durfte gegen den besten Schüler antreten. Er hatte gerade sein 5 Dan Zertifikat erworben und schlug mich mit Leichtigkeit. Das hat jedoch meiner Freude und meinem Spaß keinerlei Abbruch getan. Ich kann nur allen, die diesen langen Bericht bis hierhin gelesen haben versprechen, dass man auch Euch in China einen außergewöhnlichen Empfang bereiten wird. Mit moderner Technik überwindet man die Sprachbarrieren und das konfuzianische Prinzip den weitgereisten Gast zu ehren, werdet ihr überall spüren.