Jugend-Europameisterschaft Köln

 

Für das Jahr 2005 wurde ein Ausrichter für die Jugend-EM gesucht, aber dann erreichte uns bereits im Sommerurlaub 2003 auf Mallorca der Anruf von Martin Stiassny: „Horst, kannst du die EM auch schon im Jahr 2004 organisieren?“ Zwei Monate später waren Ort und Zeitpunkt, wenn auch unter erheblichen Schwierigkeiten, festgelegt. Der Termin Anfang Mai lag sehr spät, um die Reise der Sieger zur Jugendweltmeisterschaft in Kanada planen zu können, wurde aber akzeptiert.

Die Jugend-EM in Köln sollte meine erste sein, denn die Fahrt nach Cannes hatten wir Castrop-Rauxeler verpasst weil wir davon zu spät erfahren hatten. Daraus ergab sich ein wichtiges Ziel: Ich wollte gezielt Informationen in Europa verbreiten, dass die EM 2004 für die möglichen Gäste so früh wie möglich planbar werden konnte.

Die Website wurde von Michael Drewing aufgebaut, und dann durfte ich unter Michaels Anleitung sein Design mit meinen Informationen verunstalten. Er hat mich sehr liebevoll in die Welt der ftp-clients und MSN-Kommunikation eingeführt. Kaum war die EM im Web präsent, bemühte ich mich, möglichst viele europäische Clubs und Verbände per Email auf diese Informationen hinzuweisen.

Arne Timm schnippelte sehr erfolgreich aus einem „berechneten“ Gobrett und einer Domabbildung ein Logo, so ganz ohne Wettbewerb und mit Mut zum Risiko.

Für die Spezialaufgabe „Visa und Versicherungen“ hatte ich schnell Michael Wagner gefunden – es hätte nicht besser kommen können. Michael hat seit vielen Jahren Erfahrungen mit Visa-Formalitäten, sein letzter Großeinsatz war der EGC Strausberg/Berlin 2000. Unzählige Änderungswünsche und eilige Abwicklungen von Einladungswünschen erledigte die Familie Wagner souverän. Leider gab es trotzdem keine Bewilligung für die große Gruppe der Ukrainer Spieler und für die Weißrussen. Die späten An- und Abmeldungen der großen Gruppen und die große Zahl der Änderungen hatte ich insgesamt nicht vorausgesehen. Statt wie angenommen circa zwei Wochen vor dem Turnier alles klar zu haben, mussten wir die komplette Zimmerbelegung für 400 Personen neu vornehmen. Die Liste der wieder abgemeldeten SpielerInnen ist ungefähr 160 Personen lang, innerhalb der letzten 10 Tage stornierten insgesamt 123 Personen ohne Ersatz! In der nervösesten Planungsphase kam die unerwartet umfangreiche Unterstützung von Monika Reimpell gerade zur rechten Zeit. Für Abe Sensei, Yuki Shigeno und Catalyn Taranu  wollten wir ein angemessenes Programm aufbauen. Die Stars brauchten Unterkunft, Betreuung und Aufgaben. Neben dem Management dieser Profibetreuung gab es Dank Monika und Christian Gawron endlich eine brauchbare Todo-Liste und ein Sightseeing-Programm. Die Liste der Helfer wuchs zu meiner großen Freude schnell an, alle Deko-, Russisch-, Technik-, Info- , Wasauchimmer-Spezialisten zu erwähnen geht allerdings zu weit. Die ersten Aktivitäten, die ich, gefangen im Datenrausch der Hotelverwaltung Timm, nicht miterleben durfte waren der Besuch von Abe Sensei und Yuki Shigeno an einer Kölner Schule und am Abend im Ostasiatischen Kulturinstitut die Schaupartie „F.J. Dickhut deutscher Meister gegen Abe Sensei“.

Der Transport des Spielmaterials von Amstelveen nach Köln war noch ein nettes Vorfelderlebnis. Das Transportunternehmen hatte zunächst einen zu großen LKW zum EGCC nach Amstelveen geschickt, danach zu wenig Lagerraum und schließlich Terminprobleme. Trotzdem war das Material zwei Tage vor Turnierbeginn in Köln.

Um 11:00 Uhr am Donnerstag bereiteten wir langsam den Turnierort vor. 200 Satz Ing-Material* und 40 Satz NRW-Spielmaterial wurden verteilt. Die Castrop-Rauxeler Jugendgruppe baute das Material auf, dabei auch das komplette NRW-Turniermaterial, insgesamt weit über 1000 kg schwer. Alle 90 Bretter für die U18-Gruppe passten – allerdings etwas zu eng - in Raum „Köln“, dem größten Raum des Jugendgästehauses Riehl. Die Jugendherberge bietet ungewöhnlich viele und große Seminarräume, so dass wir ausgesprochen gut versorgt waren. Im U12-Raum war reichlich Platz, die 44 Bretter passten gut. Neben den zwei Großräumen standen uns drei Seminarräume in Klassenraumgröße für Profi-Aktivitäten zur Verfügung, 12 Top-Group-Spieler durften in einem besonderen Raum spielen.

Zu unserer großen Überraschung und letztlich auch Erleichterung erschienen die großen Reisegruppen gleichmäßig über den Tag verteilt und nicht wie befürchtet nur am Abend. Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, die vielen Gäste begrüßen zu dürfen, die mir durch Emails bereits zu guten Bekannten geworden waren.

Am Donnerstagabend war der wichtigste Termin die Teamleiter-Besprechung. Da ich selbst scheinbar nicht so wichtig war, durfte ich nach fünf Minuten gehen, da es keine Fragen an den Ausrichter gab. Harald Kroll führte am selben Abend bereits eine kleine Gruppe durch das Ostasiatische Museum, das erste von mehreren Sightseeing-Angeboten die von Franz-Josef Knauf (Schokomuseum) und Pierre Chamot (Altstadt) begleitet wurden. Die Anmeldungen und insbesondere die großen Geldmengen hatten uns nicht erschlagen, lange Warteschlangen hatte es zum Glück nicht gegeben.

Nach kurzer Nachtruhe (oder auch ohne: André Weiher) ging es dann am Freitag zur Sache. Nach ausgiebigem Frühstück, reichlich und lecker wie jede Mahlzeit im Jugendgästehaus Riehl, trafen sich alle Anwesenden im Raum Köln zur Eröffnungszeremonie. Ein großes Plakat, von Steffi Hebsacker im Eilverfahren „gestrickt“, schmückte die Kopfwand des Saales, umrahmt von den Landesflaggen der vertretenen Nationen.

Die erwarteten Sprachprobleme mit den vielen Menschen verschiedenster Nationen wurden mit „broken English“ locker umschifft. Bei komplizierten Verhandlungen mit russischen Gesprächspartnern konnten Konstantin Simkin und Andreas Völker wunderbar assistieren. Als ganz besonderer Schatz fiel uns die Rumänin Cristina Mircea auf, die äußerst hilfsbereit alles für ihre Reisgruppe organisierte. Sie spricht hervorragend deutsch und wusste immer, wie man fehlende Turnierergebnisse mit rumänischer Beteiligung erfahren konnte. Cristina hatte die Ehre, als einzige „normale“ Teilnehmerin ein Orga-T-Shirt tragen zu dürfen. Besonders witzig war ein kurzzeitiges Verständnisproblem, als sich zwei Spieler einen Übersetzer holten um festzustellen, dass die entscheidende Aussage „I resign“ war. Neben den Übersetzern waren auch ab und zu die Schiedsrichter gefragt. Die ungewöhnlichen Spielregeln mussten erläutert werden, im U12-Raum auch die Einstellung der Uhren vorgenommen werden. Andreas Fecke, einer der unermüdlichen Überwacher, hielt die Kinder und Jugendlichen allerdings durchschnittlich für ruhiger als die Erwachsenen. Monika Reimpell musste im Top-Group Raum dafür Sorge tragen, dass die häufig anwesenden Eltern die Züge ihrer Kinder – in ihrer Sprache - nicht kommentierten. Matthias Krings als Schiedsrichter im U12-Raum beobachtete, wie ein kleiner Junge ganz allein korrekt eine Partie auszählte, weil seine zappelige Spielpartnerin nach dem letzten Satz weggelaufen war. Er hätte locker mogeln können, aber er tat es nicht. In der Lobby, der Cafeteria und einem weiteren Großraum tummelten sich in der Regel die Begleiter. Natürlich taten sie das nicht lange allein. Obwohl es zu Beginn der täglichen zwei Turnierrunden beängstigend still wurde im Jugendgästehaus, kamen jeweils nach wenigen Minuten die ersten Kinder aus dem U12-Raum gerannt, die Partie im Blitztempo abgezockt und auf dem Weg zur Fußballwiese oder zum Frisbee-Go. Die eine Stunde Bedenkzeit wurde nur selten voll ausgenutzt, und die mit zwei Strafpunkten zu kaufende Zusatzzeit (Ing-Regeln) nahmen noch weniger in Anspruch. Ebenso zur Routine wurde es, zum Profi-Life-Kommentar für das 1. Brett der Gruppe U18 in den Beamer-Raum zu pilgern. Hendrik Reinke hat die technische Umsetzung der Übertragung und Aufzeichnung toll gemeistert. Catalin Taranu und Yuki Shigeno übersetzten den Kommentar von Abe Sensei. Beim Thema Technik sollte der Hausmeister der Jugendherberge eine Erwähnung finden. Neben seiner nicht ermüdenden Hilfsbereitschaft überraschte er uns mit der Leihgabe eines PC-Monitors, nachdem mein Computer zu meinem Ärger erblindet war.

Steffi Hebsacker hatte die Zelte für den „Profi-Point“ aus Hamburg mitgebracht und aufgebaut. Wie bereits in der EM2000 in Strausberg erlebt, war der Freiluftaufenthalt für ruhige Partieanalysen sehr beliebt. Auch Amir Fragman wurde bei Abe Sensei am Profi-point gefunden, nachdem ein Teil des Orgateams und natürlich sein Vater den vermissten Sohn in allen Turnierräumen und im Außengelände gesucht hatten. Gegen den Widerstand einiger unbedeutender Orga-Mitarbeiter („Was für ein Aufwand! – muß das denn sein? – Wer will das denn überhaupt“) führte Michael Marz das Super-Simultan-Rengo durch. Gut, dass der Mann Willenskraft besitzt. Die Begeisterung aller Teilnehmer an diesem Mega-Event kannte keine Grenzen. Nachdem die ersten Spielbretter vom Orgateam abgeräumt waren, wurde sogar eine 19er-Partie ohne Brett gespielt. Sogar das anschließende Sortieren der durcheinander geratenen Spielsteine in Ing oder nicht-Ing hat Spaß gemacht. Manuela Lindemeyer und Michael organisierten auch noch mehrere Begleitturniere, so dass die erwachsenen Begleiter zum Turnierspiel kamen. Irgendwer hat auch noch mehrere Profi-Simultanrunden organisiert, es gab Barbara Knaufs T-Shirt Gestaltung, einen gut umlagerten Animexx-Stand und vieles, was ich nicht mitbekommen habe, weil einfach alles rund lief.

Persönlich erlebt habe ich allerdings die Vorträge von Herrn Yang Yu-Chia zu seiner Lehrmethode, die mir einige Anregungen für meinen künftigen Go-Unterricht gegeben haben.

Auch wenn ich wichtige Dinge vergessen haben mag, schließe ich mit Bemerkungen zur Siegerehrung und zum Abbau. Die Siegerehrung fand wiederum im völlig überfüllten Raum Köln statt, in wundervoller Atmosphäre, geprägt durch die Anwesenheit der Profis bei denen wir uns mit kleinen Präsenten und mit von Martin Stiassny organisierten Unterschrifts-Plakaten bedanken konnten. Abe Sensei überreichte 20 Fächer an die Gewinner einer Auslosung und fast alle Spielerinnen konnten sich einen Preis vom Grabbeltisch holen. Danach galt es noch, aus einer wohl sortierten Präsentation von 250 liebevoll gestalteten Teilnahmeurkunden die eigene zu finden und die Heimfahrt anzutreten. Gegen 19:00 Uhr konnten die letzten des Orgateams die Jugendherberge verlassen. Und das Fazit? Nie wieder! Na ja, vielleicht können wir in 5 Jahren darüber reden, es hat schließlich riesig viel Spaß gemacht!

Ergebnisse U12

Ergebnisse U18

(Horst Timm)

 

* Die „Ing Chang-Ki Wei-Chi Education Foundation“ ist der große Sponsor der Jugend-EMs.

Der Taiwan-chinesische Industrielle Mr. Ing Chang-Ki (1913-1997) war ein großer Förderer und Erneuerer des Goes, wie er das Spiel gerne nannte. Er entwickelte neue Regeln und neues Spielmaterial speziell für Kinder und förderte weltweit Turniere für Profis und Amateure (und für Go-Software). Die Education Foundation setzt nach seinem Tod seine Förderungsarbeit fort.