Go-Boom in Castrop-Rauxel

Seit Anfang Mai spielt die Willi-Brandt-Gesamtschule in Castrop-Rauxel Go - und das in einem Umfang, wie ich es mir nie erträumt hätte. Ungefähr 50 Schülerinnen und Schüler haben sich ein Go-Brett und Steine gekauft, allein für das erste Go-Turnier haben sich 45 Spielerinnen und Spieler von der 5. Klasse bis zur 11. Klasse gemeldet.

Mit zwei kleinen Aushängen hatte ich Anfang Mai angekündigt, ein Anime zu zeigen, "Hikaru no go". Im kleinen Hörsaal der Physik sahen etwa 30 Schülerinnen und Schüler die erste Folge.  Was in den nächsten Wochen passierte, war unglaublich: In den Mittagsfreizeiten montags, donnerstags und freitags besuchten 40-60 Begeisterte die Filmvorführungen. Der japanische Originalton mit englischen Untertiteln und freier Übersetzung ins Deutsche konnte die Begeisterung kaum trüben.

Hikaru-FilmvorführungNach einer Woche brachte ich kopierte 9x9-Spielflächen und etwa 20 Mini-Sätze Steine (20/20 bunt gemischt, dick/dünn, Plastik/Glas) für 1 Euro mit. In wenigen Minuten war alles vergriffen. In den verbleibenden zwei Mittagsfreizeiten hatte ich reichlich damit zu tun, Go oder Atari-Go zu spielen. Welch ein Glück, dienstags ist die Go spielende Gisela Bressan als Elternmitarbeiterin im Spielezimmer und kann mithelfen. Auch meine Frau Dorothee spielt inzwischen erfolgreich 3-fach simultan. Während die Filmvorführungen zur lieb gewordenen Routine wurden, war allerdings die Materialbeschaffung mein größtes Problem.

Am 26. Mai besuchten bereits neun Schüler das Kinderturnier in Herne. Ich erhielt dort einige Bretter für den normalen Spielbetrieb an der Schule und drei Sätze Steine aus dem Altmaterial des Landesverbandes. Am nächsten Wochenende druckte ich etwa 65 13x13/9x9-Bretter. Alfred Ebert aus Dortmund konnte mir noch etwa drei Sätze gemischtes Plastik abgeben. Bei Rüdiger Burow (Spielekiste Unna) kaufte ich schließlich sechs Steinsätze Glas und sechs Steinsätze Plastik. Bis auf acht Go-Bretter war  bis Mitte Juni alles weg! Bei Rüdiger Burow ist aber bereits die nächste Fuhre bestellt.

Ein weiteres, zu vernachlässigendes Problem sind die Beschwerden der KollegInnen, im Klassenraum würden Go-Steine herumfliegen oder die Schüler während des Unterrichts Go spielen. Trotz Ankündigung am Lehrer-Infobrett haben es bisher auch nur zwei KollegInnen geschafft, sich "Hikaru no go" anzuschauen. Es gab sogar Mahnungen, ich würde die Schüler vom Aufenthalt in der Frischluft abhalten.

Meine Argumente für die Videovorführungen:

  • "Hikaru no go" ist ein ästhetischer Genuss. Die zeichnerische Qualität ist auf höchstem Niveau.
  • Die Geschichte ist logisch erzählt mit witzigen, nicht eindimensionalen Charakteren. Besonders die Figur des guten Go-Geistes Sai schillert von ernsthaft-melancholisch bis kindlich-vergnügt.
  • Das Anime gibt einen interessanten Einblick in die moderne japanische Gesellschaft.
  • Der japanische O-Ton ist sehr reizvoll und vermittelt deutlich die Stimmungslagen.
  • Die englischen Untertitel nötigen zum schnellen Lesen in der Fremdsprache (auch wenn ich vieles ins Deutsche übersetze)
  • Die SchülerInnen erleben in der Schule etwas, was ihnen wirklich Spaß macht!
  • Das "Verführen" zum Go-Spiel ist ein angenehmer Effekt, das Go-Spiel an sich ist pädagogisch wertvoll.

Zur Zeit plane ich die Durchführung einer Mannschaftsmeisterschaft innerhalb unserer Schule. Es haben sich bereits 15 Dreier-Teams angemeldet. Immerhin besuchen etwa sieben Go-Spieler aus der Schule bereits den Castrop-Rauxeler Spielabend und auch dort wird kräftig trainiert.

Horst Timm (Castrop-Rauxel)


© DGoB -  letzte Aktualisierung: 2002-07-14 15:10, webmaster@dgob.de