Kritik zu "Die Go-Spielerin"
vom Stadt-Anzeiger

Zug um Zug gelungenes Schauspiel

VON OLIVER CECH, 07.09.04, 07:03h

Das Kölner Freie Werkstatt Theater landet einen Coup mit der „Go-Spielerin“.
Mit der Inszenierung der „Go-Spielerin“ hat das Freie Werkstatt Theater einen Coup gelandet. Vermutlich waren hinter den Kulissen einige Schachzüge - oder eben Go-Züge - nötig, um sich die Aufführungsrechte dieser ersten Dramatisierung von Shan Sas Erfolgsroman zu sichern. Den Ausschlag dürfte gegeben haben, dass Johannes Kaetzler und Gerhard Seidel vom FWT mit ihrer Bühnenfassung die Tat vollbringen, Shan Sas exotisch schillerndes Sprachkunstwerk einzufangen in der Fülle seiner Vielschichtigkeit, seinem Wechselspiel von Brutalität und Poesie, Politischem und Intimem, Strategie und Intuition - und zugleich mit kräftigen Strichen und raffinierter Szenenfolge einen Text vorzulegen, der genuines Theater ermöglicht und sich auf der Bühne zum Schauspiel entfaltet.
Asiatisch ohne Retusche
Damit allein wäre noch wenig gewonnen. Wie erwartet, muss Kaetzlers Inszenierung dieser in der Mandschurei spielenden Geschichte fast durchweg mit augenscheinlich europäischem Personal zurecht- kommen. Nur die weibliche Hauptfigur, die Go-Spielerin selbst, mutet hier ohne Retuschen „asiatisch“ an. Kaetzler nimmt diese Hürde, indem er den Figuren gleich in der ersten Szene ein artifizielles, abstraktes Gepräge gibt - das Geschehen rückt, bei aller historischen Farbigkeit, ins Überzeitliche. Kostüme, Maske sowie die inspirierte Choreografie und Lichtregie tragen zur Wirkung dieser „Go-Spielerin“ bei; alles wirkt wie aus einem Guss, und das beachtlich große Ensemble von acht Darstellern enthält keine einzige Fehlbesetzung.
Aus dem starken Feld hervorgehoben sei Linda-Moran Braun, die ihrer Figur, der Go-Spielerin, eine federleichte, jugendliche Aggressivität verleiht und bei aller Tragik das Abgleiten ins Pathetische stets zu verhindern weiß - sowie Ingrid Berzau und Dieter Scholz, die in Nebenszenen, etwa als Gespann von aalglattem Kurpfuscher und übellauniger Sprechstundenhilfe, funkelnde Komik abliefern.
Wer den Roman noch nicht gelesen hat, wird es nach dieser Dramatisierung nachholen wollen. Wer ihn bereits kennt, kann hier eine Bühnenfassung erleben, die an Eindringlichkeit und Vielschichtigkeit der Vorlage nicht nachsteht. Es bleibt dabei: ein großer Wurf. Das Premierenpublikum dankte mit anhaltendem Applaus.
Nächste Vorstellungen: 10., 11., 17. und 18. September, jeweils 20 Uhr.


Quelle: FWT Köln